Timo, der Sohn meines Freundes, feierte an diesem Sonntag Erstkommunion und seine Eltern hatten Nachbarn und Bekannte für den Nachmittag zum Kaffee geladen. Ich klingelte und kurz darauf donnerte sein kleiner Körper an die Tür. Sie flog auf und der aufgeregte kleine Bursche reckte mir gleich seine rechte Hand entgegen. Die mittleren drei Finger waren mit Pinocchio-Kinderpflaster verbunden und seiner Schimpfkanonade entnahm ich, dass er sich beim Zerreißen der Kunststoff-Verpackung von Tante Rosemarie’s Spiele-DVD böse geschnitten hatte. Sein weißes Hemd sei voll geblutet, er müsse nun mit dem neuen Abercrombie & Fitch T-Shirt zur Andacht gehen und das fände der Pastor sicher nicht gut. Er beendete seine Tirade mit der Frage, die sich kleine wie große Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks, in den großen Städten, auf den entlegensten Inseln und in allen Sprachen dieser Welt gleichermaßen stellen. »Kann mir mal jemand sagen, wie man diese Scheiß-Packung aufkriegt, ohne
sich dabei wehzutun?«
»Nein, mein lieber Junge, das kann Dir niemand erklären. Nicht die Elektronikindustrie, nicht der Fachverkäufer und auch nicht Dein Papa!«
Der saß nämlich mit seinem eigenen, blutdurchtränkten Pinocchio-Kinderpflaster um den Zeigefinger gewickelt vor aufgeschlitzten und zerrissenen Kunststoffkadavern übel
gelaunt in der Küche.
Nein, es gab ihn nicht, den aufgedruckten Warnhinweis: »Diese Hartbox-Verpackung gefährdet Ihre und die Gesundheit Ihrer Kinder.«
Sein tragischer Anblick erweckte in mir den Eindruck, dass das Öffnen thermoverschweißter Polypropylenboxen regelmäßig etwas bewirkt - nämlich Ratlosigkeit, Frustration und schlussendlich wilde Wut.
Timos Bastelschere, Mamas Brotmesser und Papas Puksäge gegen atomschlagerprobtes Duroplast, das hat etwas von David gegen Goliath und von mittelalterlicher Streitaxt gegen Weltraumtechnik. Blister-Packs kann man nicht auf zivilisierte Art entfernen, man muss sie massakrieren. Da gibt es keinen Nippel, den man durch die Lasche ziehen kann, keine Sollbruchstelle und keinen Stay-On-Tab Ring wie an Bierdosen. Und sie sind nicht nur unnahbar, sie sind auch noch zu groß. Im Extremfall passt der Inhalt eines vollen Warenkorbes nach dem Auspacken in zwei Jackentaschen und mit dem Klarsichtschrott eines Weihnachtsfests lässt sich glatt ein Gewächshaus neu verblenden. Autogaragen sind out-Restmüllgaragen sind in und die Umgebung der öffentlichen
Papp-Container sieht Woche für Woche wie ein, durch einen Luftangriff, verwüstetes, überdimensionales Kartenhaus aus.
Die Industrie will etwas gegen diesen ausufernden »Kartonismus« unternehmen, doch sie muss auf die Forderung des Handels nach diebstahlsicherer Verpackung Rücksicht nehmen. Zudem geht es auch um Werbefläche, denn die 7,5 cm² winzige SD-Karte braucht eine Personality-Show. Deshalb lümmelt sie sich in einem 180 Quadratzentimeter großen, schick bedruckten und fast unkaputtbaren Plastiktresor
herum.
Auf der Suche nach einem sinnvollen Geschenk für den nächsten Anlass bieten sie sich jedenfalls an - denn es gibt sie mittlerweile - die ultimativen Plastic-Package-Opener,
kostengünstig und natürlich – eingeschweißt in Kunststoff-Hartboxen.
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