19. Haben Sie schon unsere Kundenkarte?
Über die Flut der Kundenbindungsprogrammkarten

»Haben Sie schon unsere Kundenkarte?« Die Floristin schaut mich fragend an. „Ja, ich glaube, ich habe eine, aber die habe ich wohl vergessen.« »Schade. Denken Sie aber bitte das nächste Mal daran. Sie müssen nämlich wissen, dass es bei einer Summe von 100,- Euro einen Blumenstrauß im Wert von 5,- Euro als Treueprämie gibt.« Während ihrer Erklärung, die sich für mich wie ein Rüffel anhört, trifft mich der herablassende Blick einer Kundin, die gerade mit ihrem Rabattsträußchen triumphierend von dannen zieht. Ich bin genervt. Das allgegenwärtige »Haben Sie schon unsere Kundenkarte?« kommt mir mittlerweile vor wie eine Peitsche, die mich immer tiefer hineintreibt in den undurchsichtigen Bonus-Dschungel der Prämienfänger und Couponjäger. Mein Haus ist ein Kartenhaus, denn überall liegen sie herum, die Stempel- oder Aufkleber-Zettelchen von Blumenläden und Apotheken und die fortschrittlicheren Barcode-Pappkarten von Bekleidungs- und Sportgeschäften. Ich habe die MEDIA MARKT Club Karte, die mir beweist, dass ich nicht blöd bin und wenn ich mich einmal einsam fühle kann ich mich auf die Unterstützung der IKEA Family Card verlassen. Darüber hinaus bin ich im Besitz der Kronenkarte der Krefeld Pinguine, der Schalker Knappenkarte, des Dortmunder Stadiondeckels und Gott weiß was von anderen elektronischen Verzehrkarten. Allesamt Karten, die ich nicht trocken gesoffen habe und deshalb jahrelang aufbewahre. Bin ich dann doch mal wieder AUF SCHALKE oder im SIGNAL IDUNA PARK, habe ich sie zuhause vergessen. Sicher, irgendwann wollte auch ich ein Sparfuchs sein und im Supermarkt die Mutter aller Kundenkarten auf die Probe stellen. Dabei habe ich auf der Suche nach meiner Payback Karte vor lauter Hektik das gesamte Memory meiner Plastikkärtchen auf dem Kassenband ausgelegt und festgestellt, dass ich eine derjenigen Dorfhupen bin, die mit ihrer Bemerkung »Ich weiß, dass ich sie dabei habe« die nachfolgende Kundschaft in den Aggro-Modus katapultieren und dann schlussendlich mit einem »Nee, doch nicht« einen kollektiven Kreislaufkollaps auslösen. Ja, ich bin überfordert. Allein die Anzahl der unverzichtbaren Karten, die mich als deutschen Staatsbürger, Führerscheinbesitzer, Rentner oder Krankenkassenmitglied ausweisen, bringt meine Geldbörse zum Bersten. Wohin also mit all den anderen Treueherzchen- oder Sparpunktkarten, die die Kundenbindung erhöhen oder das Konsumverhalten durchschaubar machen sollen. Ich blicke nicht mehr durch, aber ich finde die Vorstellung beunruhigend, dass irgendwann eine 12jährige einen Sex Toys Katalog aus dem Briefkasten ziehen könnte, nur weil ihre Mutter sich über das Internet und ihre Kundenkarte Dessous aus dem Erotik-Shop bestellt hatte. Und ich hege die dunkle Ahnung, dass mir dereinst der Prospekt eines Beerdigungsinstituts ins Haus fliegen könnte, der mir einen Tiefstpreis auf die Bestattung meines Opas verspricht, bloß weil ich mir letztens einen schwarzen Anzug und eine Gaspistole gekauft habe. Ich fürchte, die Zeit ist gekommen in der es heißt: »Zeig mir Deine Karten und ich sag Dir, wer Du bist.«

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