Ruuums - wisch und weg. Die Kassiererin hatte mit einer energischen Bewegung ihres Unterarms die erste Charge meines Wocheneinkaufes in die Warenauslaufzone gefegt. Beim Anblick der durcheinander purzelnden Packungen fiel mir unweigerlich der Werbeslogan einer Supermarktkette »Wir lieben Lebensmittel« ein. Ich fragte mich - wenn so ihre Warenliebe aussieht, wie muss es erst um ihren wahren Hass bestellt sein. Die Geschwindigkeit, mit der sie die Artikel über den Scanner gezogen hatte, erinnerte mich die Schlagzahl eines römischen Galeerentrommlers. Und wie ein Galeerensträfling fühlte ich mich auch, als ich mich unter den strafenden Augen der zischenden Kassenschlange bemühte, die Dinge zwar zügig, aber einigermaßen sortiert in meine Einkaufstüten zu befördern. Es war aussichtslos. Meine Produkte stauten sich auf dem Kassenband wie die LKW auf der A57 am Montagmorgen. Einige der Wartenden sahen mich an, als würde ich sie daran hindern, in das letzte Rettungsboot der Titanic zu klettern, bevor sie absäuft. Andere begannen, vor Wut zu schnauben. Sicher waren sie, wie die Blues Brothers, im Auftrag des Herrn unterwegs und meine störrischen Erdbeerkörbchen und Ravioli-Dosen hinderten sie daran, die Welt zu retten. Wieder andere zückten ihre Smartphones, um daheim durchzugeben, dass das gemeinsame Abendessen und auch das nächste Frühstück gerade einem unverantwortlichen alten Egoisten zum Opfer gefallen seien. Vom Ende der Schlange rief sogar jemand empört: »Das ist ja Nötigung!« – als würde eine zusätzliche Minute Wartezeit die Funktionstüchtigkeit der deutschen Demokratie gefährden. Auch spürte ich, dass ich in den Augen der Verkäuferin nicht etwa ein zahlender Kunde, sondern ein Saboteur - ein Rebell und profitgefährdender Querulant war.
Aber eigentlich konnte sie nichts dafür, denn wahrscheinlich hatte sie die Auflage, ihre Kundschaft im Eiltempo aus dem Einkaufsparadies zu peitschen. Außerdem kam eine rasche Abfertigung vor allem der Klientel entgegen, für die der Einkauf ihrer Lebensmittel nicht länger dauern darf als die Werbepause in ihrer Lieblings-Doku-Soap »Verklag mich doch!«
Ich sah der Verkäuferin an – Sie wollte mich nicht länger abkassieren, sondern am liebsten ausradieren. So war ich noch nicht annähernd mit dem Einräumen fertig, als sie mir schon ihre spitzen Finger entgegenstreckte, um mir meine Geldscheine aus der Hand zu reißen. Dann kramte sie mürrisch in ihrer Kassenschublade und fummelte mir anschließend eine dreißig Zentimeter lange Kassenfahne, vier Geldscheine und obendrauf noch ein paar Münzen in meine viel zu kleine Hohlhand. Das folgende Zuknallen der Schublade klang in meinen Ohren wie der herabsausende Hammer eines Richters. Ich war als Kunde abgeurteilt.
Während ich das Wechselgeld noch in meine Geldbörse balancierte, schob sie bereits die Warenhalde des nächsten Delinquenten auf meinen herumliegenden Resteinkauf. Um nicht von seinem Einkaufswagen über den Haufen gefahren zu werden, griff ich mir meine Tomaten, Bananen, Brötchen sowie das Sechserpack Hühnereier und warf alles zu den Tüten in meinen Einkaufswagen. Dabei kam mir der umgekehrte Spruch eines anderen Discounters in den Sinn »Einmal drin - alles hin.«
Nein - es hat keinen Zweck, sich der Rasanz einer derart getakteten Geschäftsabwicklung zu widersetzen. Diese Kassiererin hatte mir gezeigt, wer und was eine Harke ist, meine Rebellion niedergescannt und mich im Handumdrehen in die packtischfreie Wüste vor den Ausgang geschickt.
Heute wollte ich einmal nicht meine Tüten auf einem Abfalleimer, einer schmalen Fensterbank oder im strömenden Regen unter der Heckklappe meines PKW einräumen. Aber dieser Traum war zerplatzt wie der Joghurtbecher, auf den ich in aller Eile meine Bananen geworfen hatte.
Ich dachte zurück an meine Erfahrungen in den USA. Dort waren mir stressfrei und zuvorkommend fertig gepackte Einkaufstüten mit einem freundlichen Lächeln und einem »Beehren sie uns bald wieder« überreicht worden. Eine wunderbare Wertschätzung, die mir jedes Mal runterging wie deutsche Markenbutter. Die aber wurde gerade durch die Last eines amerikanischen Bourbon-Whiskeys in meiner Einkaufstüte zerquetscht.
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