Am Vatertag darf der Vater sich endlich entspannen – sagt man. Ein Tag nur für ihn. Ein Hoch auf den Mann, der in der Familie alles im Griff hat: Fernbedienung, Rasenmäher und, die Waschmaschine, die endlich mal ins Lot gerückt gehört, damit sie nicht mehr klappert. Danach könne er ja mit seinen Freunden um die Häuser ziehen – so Vera, die mitfühlende Ehefrau von Werner, meinem besten Freund, am Vorabend von Christi-Himmelfahrt.
Beim Frühstück erinnerte sie ihn dann daran, wie wichtig dieser Tag für ihn sei: »Schatz, heute ist Vatertag – das heißt, es wäre schön, wenn Du Dich einen Moment lang um die Kinder kümmern könntest. Du hast lange nichts mehr mit ihnen gemacht. Aber später kannst Du Dich gerne mit Rolf und Dieter treffen. Schließlich ist es ja DEIN Feiertag.“
Werner nickte ehrfürchtig, wie ein Staatsoberhaupt vor einem internationalen Kredit. Der Große musste zum Fußball gebracht werden und der Kleine hatte bis morgen ein Referat über die Azteken zu schreiben - und benötigte dabei Papas Hilfe.
»Du warst doch so gut in Geschichte, sagst Du immer.« Seine Gattin wusste seine Fähigkeiten zu schätzen und nicht zuletzt deshalb würde er sie bis ans Ende seiner Tage… »Und vergiss nicht, dass Du heute grillst«, bemerkte sie dann noch mit dem Tonfall eines Generals, der gerade eine Invasion plant.
Werner, der Vater – der Held des Tages! – schwang sich also in Aktion. Es war sein Ehrentag, und so stand er, wie es sich gehört, nach dem Frühstück im Keller, um die Waschmaschine gerade zu stellen. Denn nichts ehrt einen Mann mehr, als die Dankbarkeit seiner Ehefrau, wenn solch ein Missstand endlich behoben wird. Da dürfen die Freunde auch mal schon warten. Wenn bei dieser Gelegenheit auch noch der Sickerschacht neben der Waschmaschine rasch von Schlamm und Flusen befreit wird, entfaltet der Vatertag seine volle symbolische Strahlkraft. Schließlich ist ein sauberer Kanal der beste Beweis für die Unverzichtbarkeit des Vaters im Haushalt.
Danach begann dann der Ausflug – zunächst aber nur zur Tankstelle. Denn Grillkohle war alle, und ohne Grillkohle ist der moderne Vater nur ein Mann mit einem Feuerzeug und traurigem Blick.
Hinterher den Großen zum Fußball bringen und natürlich dableiben und anfeuern. Dass ist die ureigenste Pflicht eines Papas. Diese Domäne der Väter sollte ihnen niemals von den Müttern streitig gemacht werden. Selbst wenn es kein Bier und keinen Schnaps, sondern nur einen Schluck stilles Mineralwasser und ein Stück trockenen Streuselkuchen von einem der trist dreinschauenden übrigen Vätern gibt.
Es ist 13.00 Uhr. Dieter und Rolf sind alleine losgezogen, er könne ja nachkommen. Man wäre halt hier und dort.
Die Mama - gönnerhaft. »Aber sicher doch. Es ist doch Vatertag. Wie sieht es denn mit dem Referat vom Kleinen aus. Du weißt ja - wenn es morgen nicht fertig ist, wird er die Schuld auf Dich schieben.«
Das Referat über die Azteken entpuppt sich als mittelschwere Doktorarbeit über die gesamte Kulturgeschichte Mittelamerikas. Frau Trine-Plumps ist nun mal eine anspruchsvolle Lehrkraft vom alten Schlag. Werner ist dankbar, dass sie seinen Sohn unterrichtet. So wie sie es auch schon bei ihm, den Vater tat.
»Was hältst Du davon, wenn wir schon heute Nachmittag grillen. Die Jungs sind hungrig und im Übrigen hat man hinterher noch etwas vom Tag. Du könntest zum Beispiel Deine Freunde treffen.«
Werner hatte im Laufe des Tages drei oder vier WhatsApp Nachrichten von Dieter bekommen. Die letzte lautete ungefähr so: »…kanns uuuns mal gerrrn ham Blödman - Puterroter Kopf Smiley.«
Während er sich am Nachmittag mit tränenden Augen über das angekokelte Fleisch beugte und versuchte, zwischen Würstchen und einem angekohlten Maiskolben sein inneres Gleichgewicht zu finden, kamen die Kinder mit einem Geschenk. Ein selbstgebastelter »Superpapa«-Orden aus Pappkarton, glitzerndem Kleber und unidentifizierbarem, vermutlich lebendigem Schleim.
Er war gerührt. Endlich, die Anerkennung! Er war ein Superpapa. Für zehn Sekunden. Dann bat der Große ihn, seine Fahrradkette zu ölen und der Kleine wollte nun unbedingt auch noch eine Runde Fußball auf der Straße spielen.
Gegen 17.30 Uhr setzte er sich neben seine Frau auf die Couch. »Und was hast Du so gemacht?«
»Ich habe endlich mal meinen Uta Danella-Roman zu Ende gelesen. Was ist mit Rolf und Dieter?«
Werner mit wehmütigem Blick. »Die hatten wohl Spaß und sitzen jetzt total betrunken in irgendeiner Kneipe.«
»Siehst Du. Sie tun Dir einfach nicht gut und außerdem hattest Du ja auch hier Deinen Spaß – nicht wahr?«
Abends, als alle im Bett waren – inklusive seiner Frau, die endlich einmal ausschlafen wollte – saß Werner mit einem Bier auf der Terrasse. Er blickte in den Himmel und seufzte zufrieden.
»Ein schöner Tag. Nächstes Jahr werde ich versuchen, ihn mit einem Hexenschuss im Bett zu verbringen. Oder auf einer einsamen Berghütte. Ohne Empfang. Vorausgesetzt, die Waschmaschine
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